Zur Erinnerung an die Inbetriebnahme des KZ Kemna vor 80 Jahren.
“Nacht für Nacht beschimpft, beschmutzt und geschlagen.” Das Lager wurde im Juli 1933 in einer ehemaligen Putzwollfabrik an der Beyenburger Straße als so genanntes Schutzhaftlager der Wuppertaler SA offiziell in Betrieb genommen. Es gehörte zu den frühen Konzentrationslagern und unterstand dem Befehl des berüchtigten SA-Führers Willy “Emmes” Veller, der seit Juni 1933 als kommissarischer Polizeipräsident amtierte und im Lager viele seiner SA-Kumpanen als Wachpersonal einsetzte. Das Lager Kemna verbreitete als Haft- und Folterstätte weit über die Stadtgrenzen hinaus Angst und Schrecken und ist – obwohl es nur bis Januar 1934 existierte – zum Inbegriff für die Willkür und den brutalen Terror des NS-Regimes in seiner Anfangsphase geworden. Die Gefangenen dort waren überwiegend Kommunisten und Sozialdemokraten, die in den Monaten nach der “Machtergreifung” bei den zahlreichen Razzien in Wuppertals “roten” Wohnquartieren verhaftet worden waren. Zu den Häftlingen gehörten z.B. auch die Stadtverordneten Oskar Hoffmann (SPD), Willy Spicher und Otto Böhne (beide KPD). Böhne, der auf dem Elberfelder “Ölberg” wohnte, starb im Februar 1934 an den Folgen seiner schweren Misshandlungen in der Kemna. Bis zur Auflösung des Lagers Anfang 1934 wurden dort unter katastrophalen und menschenunwürdigen Verhältnissen rund 2500 Häftlinge aus Wuppertal und aus dem Bergischen Land eingesperrt und drangsaliert.
Dr. D. M. M.t ist Historiker und Vorsitzender des Fördervereins der Begegnungsstätte Alte Synagoge. Er hat 2007 seine Doktorarbeit über das Lager Kemna geschrieben und dabei sämtliche überlieferten Quellen und Zeitzeugenberichte ausgewertet. In diesem Zusammenhang konnte er auch einige langlebige Kemna-Legenden korrigieren und ins rechte Licht rücken. Seine Dissertation ist die einzige umfassende und systematische Studie über dieses frühe und überregional Schrecken verbreitende Konzentrationslager in Wuppertal.
General-Anzeiger vom 11. Januar 1934
Die “Kemna” wird aufgelöst
Die Insassen werden in die Provinz Hannover übergeführt
Infolge einer Regierungsmaßnahme werden die Konzentrationslager in Preußen aufgelöst und die noch darin befindlichen Schutzhäftlinge in die Papenburger Gegend (westlicher Teil der Provinz Hannover) übergeführt. Sie werden dort mit Bodenarbeiten beschäftigt und sind dem Oberpräsidenten Victor Lutze unterstellt. In dem Konzentrationslager “Kemna”, das mit unter die Auflösung fällt, sind noch etwa 400 Schutzhäftlinge untergebracht. Ein Teil ist bereits abtransportiert worden. Der Rest wird in Kürze folgen.
Dieses Konzentrationslager, das Mitte des vergangenen Jahres in einem ehemaligen Fabrikgebäude an der Verbindungsstraße Oberbarmen – Beyenburg errichtet worden war – ungefähr da, wo der noch klare Wupperfluß in das Weichbild Barmens eintritt -, war der Bevölkerung unter dem Namen “Kemna” geläufig geworden. Sie beherbergte in erster Linie Schutzhäftlinge unserer engeren Umgebung, dann aber auch solche aus dem weiter abgelegenen Rheinland und Westfalen.
Die Häftlinge, anfangs mehrere hundert, waren in Gemeinschaftssälen untergebracht, deren es in dem für seine neuen Zwecke umgestalteten Fabrikgebäude solche in verschiedener Größe gab. Die Erwärmung des mehrere Stockwerke hohen Gebäudes geschah durch eine Zentralheizung, im Anschluß an eine noch vorhandene Fabrikdampfkesselanlage. Die Häftlinge hatten Betten und Strohlager zur Benutzung, wie sie in Kasernen üblich oder dem Frontsoldaten aus den Unterständen der Kriegsjahre bekannt sind. Selbstverständlich mußte dem Zweck einer derartigen Sicherheitsverwahrung und Zusammensetzung des eingelieferten Menschenmaterials entsprechend in dem Hausreglement mit straffer Hand durchgriffen werden.
Ein Teil der Insassen konnte in eigenem Betrieb beschäftigt werden, andere mit Wegebau, Regulierungsarbeiten, Deichbau am Wupperufer usw. Einige Zeit fanden Handwerker Arbeitsgelegenheit bei dem Bau eines besonderen Hauses für die mehrköpfige Wachmannschaft. Hier wurden auch Zellen für schwierig zu behandelnde Häftlinge und für Untersuchungsgefangene angelegt.
Die Belegziffer des Konzentrationslagers wurde später verkleinert. Zum ersten Male nach der Reichstagswahl vom 12. November und dann bei der großen Entlassungsaktion vor Weihnachten. Jetzt wird nunmehr der Rest von stark 100 Mann verschwinden und damit die Kemna.