Archiv für August 2014

James Foley

Freitag, 22. August 2014

Eltern veröffentlichen letzte Email der Terroristen

Grausames Video zeigte den Mord

Die Extremisten der Organisation Islamischer Staat richteten sich mit einer schrecklichen Botschaft an den Westen. Sie stellten ein Video ins Netz, das die Enthauptung von James Foley zeigt. Der Mord sei eine Rache für die Militärangriffe auf den Irak. Wenige Tage zuvor erhielten die Eltern des r Journalisten eine E-Mail von den Terroristen, in der sie den Tod ihres Sohnes ankündigten und sich in einer Botschaft an die Regierung und das Volk der USA wandten. …

James Foley befand sich  zwei Jahre in der Gewalt der Terroristen. James Foley verschwand 2012 in Syrien. Dort hatte der 40-Jährige für die Zeitung Global Post und für eine französische Nachrichtenagentur über die Konflikte berichtet. Ein Jahr später erhielten die Eltern eine Überzogene Lösegeld Forderungen.

Die Eltern wollten zunächst sichergehen, dass die Terroristen wirklich ihren Sohn entführt hatten. Sie schickten ihnen einige Fragen, die nur ihr Sohn beantworten konnte. Als sie die Antworten erhielten, stand fest, dass die IS-Terroristen tatsächlich den Journalisten in der Gewalt haben hatten. Die Terroristen forderten 100 Millionen Euro als Lösegeld und die Freilassung einiger muslimischer Häftlinge.

Schreckliche Nachricht

John und Diane Foley war es klar, dass sie eine solch große Summe nicht auftreiben können. Trotzdem sammelten sie immerhin 5 Millionen US-Dollar an Spenden und hofften, dass die Islamisten ihr Angebot akzeptieren würden. Dann erreichte sie jedoch eine E-Mail, in der die Terroristen die Ermordung Foleys ankündigten. Die Nachricht zeigt deutlich, worin die Motivation der Terroristen liegt und wie gewaltbereit sie sind. …

Rache für Bombardierungen

Die E-Mail beginnt mit den Worten: „Wie lange werden die Schafe dem blinden Hirten folgen?“ Mit den Schafen ist das amerikanische Volk gemeint, der blinde Hirte ist die amerikanische Regierung, die bisher nicht auf die Forderungen der Terroristen eingegangen ist. Weiter heißt es: „Heute sind unsere Schwerter auf euch gerichtet, und wir werden nicht aufhören, bis unser Durst auf Blut gestillt ist.“ Die Hinrichtung Foleys sei eine Reaktion auf die Bombardierung des Iraks. Weitere US-Bürger werden Gewalttaten zum Opfer fallen, auch Alte, Schwache und Kinder würden nicht verschont. Wenige Tage später tauchte ein Video auf YouTube auf, das die Enthauptung des Journalisten zeigt.

Obama muss sich äußern

Nach den Vorkommnissen wandte sich Barack Obama in einer Rede an sein Volk. Eigentlich war das Ziel des US-Präsidenten keine weiteren Kriege zu führen. Doch die IS-Terroristen hätten „keinerlei Wertschätzung für menschliches Leben“. Der Mord an Foley sei eine feige Tat. Die USA werden alles tun, um ihre Bürger zu schützen. Für den Kampf gegen die Miliz brauche Obama jedoch die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. „Es muss eine gemeinsame Anstrengung geben, den Krebs zu entfernen, damit er sich nicht ausbreitet.“ Die Terroristen drohen, den ebenfalls entführten Journalisten Steven Sotloff als nächstes hinzurichten.

VÖLKERMORD

Freitag, 15. August 2014

Völlig erschöpft und dehydriert schleppten sich innerhalb von drei Tagen 50.000 Menschen über die syrisch-irakische Grenze. Viele von ihnen erlitten bei Temperaturen von über 45 Grad einen Hitzschlag. Um nicht zu verhungern aßen sie Blätter und Baumrinde und vergifteten sich dabei mitunter.

Die Flüchtlinge sind Jesiden. Sie gehören der Volksgruppe der Kurden an. Doch sie unterscheiden sich von den meisten Kurden durch ihre Religion. Das Jesidentum hat keine heilige Schrift. Stattdessen werden die Traditionen und Glaubensvorstellungen mündlich von Generation zu Generation weitergegeben. Nach den Überlieferungen schuf Gott sieben Engel aus seinem Licht. Die Engel formten dann aus einer Perle die Erde und den Himmel.

Jeside kann man nicht werden. Man muss als solcher geboren werden – das heißt, beide Eltern müssen Jesiden sein. Wer einen Andersgläubigen heiratet, muss grundsätzlich die Religionsgemeinschaft verlassen. Dennoch erkennen die Jesiden auch andere Religionen an. Man müsse keine Jeside sein, um ein guter Mensch zu werden.

Es gibt keine konkreten Zahlen wie viele Jesiden es gibt. Schätzungen gehen von 500.000 bis 800.000 weltweit aus. Die meisten von ihnen leben im Nordirak, dort wo sich die Soldaten der IS gerade auf dem Vormarsch befinden. Andere Siedlungsgebiete sind die Kurdengebiete in Syrien, der Türkei und dem Iran. Aufgrund von Verfolgungen und Diskriminierung sind viele Jesiden ins Ausland geflohen. Die größte Exilgemeinde gibt es in Deutschland. Laut dem Zentralrat der Jesiden zählt sie rund 60.000 Mitglieder. Die meisten wohnen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

Nicht erst seit diesem Jahr sind die Jesiden im Nordirak Verfolgungen ausgesetzt. Ab 1965 begann die Baath-Partei, deren Generalsekretär Saddam Hussein wurde bevor er als Staatspräsident die Macht des Landes übernahm, damit, Jesiden in sogenannte Modell- oder Zentraldörfer umzusiedeln. Dort hatte die Partei mehr Kontrolle über sie. Ziel der Aktion war es, ein einheitlich arabisches Staatsvolk im Irak zu schaffen. In den Schulen im Zentralirak wurden die Jesiden nicht in ihrer kurdischen Muttersprache Kurmandschi unterrichtet, sondern auf Arabisch.

Außerdem gelten die Jesiden bei einigen Muslimen als “ungläubig”, “gottlos” und “unrein”. Da die Jesiden keine heilige Schrift haben, sind sie nach einer Auslegung der islamischen Lehre nicht als schützenswerte Religion anerkannt. Schutz erhalten nur Buchreligionen wie das Christentum und das Judentum. Bei radikalen Muslimen gilt die Tötung eines Jesiden als heilige Handlung, die dem Täter den Einlass zum Paradies verschafft.

Für manche sind Jesiden “unrein”

Jesiden haben keine Paradies-Hölle-Vorstellung. Nach ihrem Glauben wird der Mensch nach dem Tod wiedergeboren. Die Seele wandert in einen neuen Zustand, der durch die Taten im vorherigen Leben bestimmt wird. Sie wählen zu Lebzeiten eine Jenseitsschwester beziehungsweise einen Jenseitsbruder. Das “Geschwisterpaar” übernimmt im Jenseits moralische Mitverantwortung für die Taten des Anderen. Nach der Vorstellung der Jesiden bestand die Verbindung der “Geschwister” bereits im vorherigen Leben und wird auch im künftigen bestehen.

Jedes Jahr im Herbst pilgern die Jesiden in den nordirakischen Ort Lalisch um das “Fest der Versammlung” zu feiern. Dies ist ihr Pedant zur muslimischen Pilgerfahrt nach Mekka. In Lalisch liegt Scheich Ali begraben. Er ist für die Jesiden die Reinkarnation des obersten Engels Taus-i Melek. Dieser symbolisiert die Anerkennung der Allmacht Gottes.

Der gemeinsame Feind IS eint zurzeit die Kurden. Nicht nur die Jesiden und die muslimischen Kurden haben normalerweise ihre Probleme miteinander. Auch zwischen den Kurden aus den verschiedenen Staaten gibt es Differenzen. Der nordirakischen Peschmerga missfällt, dass die türkischen Kurden der PKK den Nordirak immer wieder als Rückzugsgebiet im Kampf gegen den türkischen Staat verwenden. Zudem streiten sich der Präsident der kurdischen Autonomieregierung im Nordirak, Mesud Barsani, und der in der Türkei inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan um den Führungsanspruch über alle Kurden. Auch zwischen dem syrischen Ableger der PKK, der PYD, Barsani und der PKK gab es noch im Frühjahr Spannungen.

Zurzeit kämpfen die Kurden im Nordirak Seite an Seite für das kurdische Volk. Die Entstehung eines kurdischen Staates im Nordirak nachdem die IS besiegt wurde, ist im Gespräch. Wie wahrscheinlich die Gründung eines solchen Staates wäre, lässt sich momentan schwer sagen.

IRAK…Regierungskrise ohne Ende, Terroristen auf dem Vormarsch – zerfällt das Zweistromland?

Mittwoch, 13. August 2014


Warum sind die IS-Terroristen im Irak so erfolgreich?
Der Irak wird erschüttert, mal wieder. Diesmal sind es sunnitische Fanatiker der so genannten IS-Milizen, die weite Flächen überrennen und ein Schreckensregime zu etablieren versuchen. Ein Drittel des Iraks ist von ihnen besetzt, mehr als eine Million Iraker sind auf der Flucht, Zehntausende Yeziden (Kurden mit einem besonderen Glauben) in den Sinjar-Bergen und Christen aus der Niniveh-Ebene sind von Massakern bedroht. Die Gruppe „Islamischer Staat“ hat ihre Ursprünge im militärischen Widerstand gegen die Besetzung des Iraks durch US-Soldaten und andere Verbündete im Jahr 2003. Die Radikal-Fundamentalisten sehnen sich eine Gesellschaftsordnung herbei, wie sie zu Zeiten des Propheten Muhammad vor 1400 Jahren in Mekka und Medina geherrscht hat. Zuerst sah IS sich als Untergruppe der Terrororganisation al-Qaida von Usama Bin Laden, trat aber dann brutaler und rücksichtsloser auf. Al-Qaida geht es oft ums Prinzip, IS will die Macht. Die Gruppe wird durch Spenden aus Qatar und Saudi-Arabien finanziert und hat durch seine Feldzüge in Syrien und im Irak massenweise Geld erobert: Banken, Fabriken, ganze Stadtteile wurden geplündert. Waffen in Kasernen wurden requiriert, Drogen verkauft und archäologische Fundstücke auf dem internationalen Kunstmarkt verhökert. IS hat aber derzeit im Irak vor allem deshalb so viel Erfolg, weil die Gruppe von den Sunniten des Landes derzeit unterstützt wird. Nicht, weil diese die religiösen und politischen Ziele teilen – sondern weil sie sich von der schiitischen Zentralregierung benachteiligt sehen und ihr einen Denkzettel verpassen wollen.

Wird ein islamischer Gottesstaat entstehen?
Solch ein Kalifat hätte IS wohl gern, am liebsten über mehre bisherige Staaten hinweg. Aber dieser wird immer Fiktion bleiben. Nicht einmal kleine Gegenden des Iraks oder Syrien werden dauerhaft zu „Gottesstaaten“. Zum einen beruht der derzeitige Erfolg auf Waffen, und mit Gewalt kann man zwar eine Bevölkerung in Zeiten des Krieges regieren. Aber jeder Krieg ermüdet irgendwann. IS kann schießen, aber nicht verwalten. Wie einst die Mongolen werden sie Gebiete weiterhin überrennen, bis sie herausgeschmissen oder ihrerseits überrannt werden. Ihre Erfolge sind Luftschlösser. Derzeit wird IS in einem innerirakischen Machtkampf als Schachfigur gebraucht. Der einstige Bauer hat sich nun selbstständig gemacht. Aber das heißt nicht, dass er sich mit Erfolg zum König erklären kann.

Was sind die großen Konfliktlinien?
Der Irak an sich ist ein Kunstprodukt, geschaffen von den Briten in den Zwanzigern des 20. Jahrhunderts. Drei ehemalige Provinzen des Osmanischen Reiches fassten die neuen Mandatsherren zusammen: Die sunnitisch-kurdischen im Norden, die sunnitisch-arabischen im Zentrum und die schiitisch-arabischen im Süden. Bis heute kämpfen diese Regionen um Einfluss und um politisches Überleben, Religion spielt eigentlich eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist die Frage, wer die ölreichen Gebiete im Norden und im Süden kontrolliert.

Warum können die Iraker sich nicht auf einen Ministerpräsidenten einigen?
Auch die einzelnen Konfessionen unter sich sind zerstritten. Seit Jahren regiert der Schiit Nuri al-Maliki als Ministerpräsident, geduldet von den Amerikanern; sie hoffen, dadurch eine Art parlamentarisches System entstehen zu lassen. Doch Maliki hat sich als Despot erwiesen. Nur seine persönliche Machtstellung ist Antrieb seiner Politik, und er geht zunehmend ungeschickter vor. Die Sunniten, in den Jahrzehnten der Baath-Herrschaft unter Saddam Hussein die dominierende politische Kraft, wurden von Maliki kaltgestellt. Alle Pfründe sollen an ihnen vorbeigehen. Auf diese Marginalisierungen haben sie nun mit der Unterstützung des IS reagiert. Derzeit verfügt Maliki über die größte Fraktion im irakischen Parlament, kann aber keine Mehrheit hinter sich versammeln. Der neue gemäßigte Präsident Fuad Ma’sum hat jetzt den schiitischen Politiker Haidar al-Abadi als neuen Premierminister vorgeschlagen. Al-Abadi ist früherer Parteigänger al-Malikis. Er gilt als integrer, hat aber weniger Macht als Maliki, der zahlreiche Milizen unter sein Kommando gestellt hat.

Wird das Land zerfallen?
Derzeit parzelliert sich der Irak in ein Schachbrett. In jedem Feld hat eine andere Gruppe das Sagen. Straßensperren allerorten. Aber dennoch droht kein Zerfall. Der ist zu oft herbei geredet worden, ohne dass er geschah. Zwar ist der Irak nicht natürlich entstanden, aber dennoch gibt es mittlerweile eine Art irakisches Nationalbewusstsein – und die Einsicht, gemeinsam die wirtschaftlichen Probleme besser bewältigen zu können. Die Wirren dieser Tage werden bald der Vergangenheit angehören, ein neuer Ministerpräsident wird Schiiten und Sunniten miteinander versöhnen, die Kontrolle des Öls auf eine breite Ebene stellen und dem Irak ein föderaleres Gesicht verleihen: Die Zukunft des Landes liegt in relativ unabhängigen Provinzen, die auf zentraler Ebene miteinander kooperieren – wie zum Beispiel die Schweiz.

Sollen die Amerikaner eingreifen?
Was die USA bisher im Irak anrührten, verdorrte. Sie sind verhasst. Jahrelanges Leid haben sie mit dem von ihnen ersonnenen und durchgezogenen Krieg über die Iraker gebracht. Einen Mittler können sie nun nicht mehr abgeben. Zwar fordern einige irakische Politiker, die USA sollten in der jetzigen Situation das tun, was sie am besten können: nämlich von oben herab bombardieren, diesmal aber die Stellungen von IS. Wenn es aber zu einem militärischen Showdown mit der IS und den anderen irakischen Gruppen kommen sollte, wäre eine andere regionale Unterstützung nachhaltiger; Luftangriffe könnten auch die Türkei oder der Iran auf IS fliegen.

Ist das Engagement des Westens im Irak gescheitert?
Ja. Mehr lässt sich nicht hinzufügen.

Wer ist der Verlierer im jetzigen Konflikt?
Das einfache Volk zahlt die Zeche dafür, dass die Mächtigeren sich nicht einigen können. Es leidet unter den islamischen Experimenten des IS und den Kämpfen allerorten. Der Irak könnte kraft seiner Ressourcen und der gut gebildeten Bevölkerung einen gewissen Wohlstand erwirtschaften. Doch man müsste ihn machen lassen.

Könnte daraus ein Flächenbrand für die gesamte Region entstehen?
IS zelebriert gerade einen Flächenbrand im Irak und in Syrien, aber das ist auch das einzige, was die Terroristen können. Ein Staat ist mit ihnen nicht zu machen. Jede Marionette wird irgendwann beiseite gelegt. Und die Interessenlagen und Konfliktlinien sind im Nahen und Mittleren Osten zu komplex, als dass die jetzige Krise im Irak über seine Grenzen treten könnte. Seit Jahren wird orakelt, ein großer Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten werde die gesamte Region des Orients durchziehen, eine Art Endkampf werde aufziehen. Dies ist Quatsch. Lokal gibt es diese Konflikte durchaus, aber sie werden es bleiben. Schon allein, weil es keine zentralen Führerfiguren gibt, die länderübergreifend wirken könnten. So wird dieser „Endkampf“ genauso unrealistisch sein wie der vor vielen Jahren von Samuel Huntington erwartete „Kampf der Kulturen“.

Wie kann Frieden einkehren?
Zuerst einmal braucht der Irak eine Regierung, die nicht sofort stürzt. Maliki als ein Versager im Sinne des Volkes sollte einem Kabinett nicht mehr angehören. Dann sollte ein runder Tisch aller Volksgruppen die Interessen bündeln und einen gemeinsamen Nenner formulieren. Auf dieser Regierungsgrundlage ließe sich ein Staat bauen. Denn den wollen die Iraker schon, natürlich. IS wird dann schnell der Vergangenheit angehören, auch wenn es bis zu ihrem Niedergang noch zu grausamen Kämpfen kommen sollte. Der Westen sollte die Türkei und den Iran als regionale Akteure akzeptieren – auch wenn ihre Interessen sehr egoistisch sind. Früher wetteiferte der Irak um die Vorherrschaft im Nahen und Mittleren Osten, heute ringt er um sein eigenes politisches Überleben. Das sollte ihm gegönnt sein, und es wird ihm gelingen.